36 Das Ludwigslied

 

 

 

 

Das Ludwigslied
 

 
Einan kuning uueiz ih, Heizsit her Hluduig, 
Ther gerno gode thionot: Ih uueiz her imos lonot. 
Kind uuarth her faterlos, Thes uuarth imo sar buoz: 
Holoda inan truhtin, Magaczogo uuarth her sin. 
5 Gab her imo dugidi, Fronisc githigini, 5 
Stuol hier in Urankon. So bruche her es lango! 
Thaz gideilder thanne Sar mit Karlemanne, 
Bruoder sinemo, Thia czala uuuniono. 
So thaz uuarth al gendiot, Koron uuolda sin god, 
10 Ob her arbeidi So iung tholon mahti. 10 
Lietz her heidine man Obar seo lidan, 
Thiot Urankono Manon sundiono. 
Sume sar uerlorane Uuurdun sum erkorane. 
Haranskara tholata Ther er misselebeta. 
15 Ther ther thanne thiob uuas, Ind er thanana ginas, 15 
Nam sina uaston: Sidh uuarth her guot man. 
Sum uuas luginari, Sum skachari, 
Sum fol loses, Ind er gibuozta sih thes. 
Kuning uuas eruirrit, Thaz richi al girrit, 
20 Uuas erbolgan Krist: Leidhor, thes ingald iz! 20 
Thoh erbarmedes got, Uuisser alla thia not, 
Hiez her Hluduigan Tharot sar ritan: 
"Hluduig, kuning min, Hilph minan liutin! 
Heigun sa Northman Harto biduuungan." 
25 Thanne sprah Hluduig "Herro, so duon ih, 25 
Dot ni rette mir iz, Al thaz thu gibiudist." 
Tho nam her godes urlub, Huob her gundfanon uf, 
Reit her thara in Urankon Ingagan Northmannon. 
Gode thancodun The sin beidodun,
 
Das Ludwigslied 37

 

Das Ludwigslied
 

    The Ludwigslied is one of the very few medieval poems that can be dated with almost complete accuracy. It describes the victory of the Frankish, i.e. French, king Louis III, the younger son of Louis II, the Stutterer, son of Charles the Bald of France, over the invading Norsemen at Saucourt, in northern France. The battle took place on August 3, 881. Louis died the following year, and since he is spoken of as still alive in the poem, it must have been written in late 881 or early 882.

    The object of the poem is clearly to put Louis in the same tradition of Christian kingship as that which was growing up at this time around the figure of Charlemagne. The work has many of the characteristics of the «Preislied», that is, formal panegyric: reference to the childhood of its subject, to God’s favor, to the corresponding piety of Louis and his complete dedication to Christian ideals. The description of his victory is markedly reminiscent of the legend of Constantine's success at the Milvian bridge in 312 A.D., the prototype of the victory in Christ's name. At the same time there is evidence of the belief of Christians that the pagan Norsemen were a scourge sent to punish the sins of the Christians.

    The poem is written in a form very much like that of Otfried's Evangelienbuch. The long lines are divided into two parts, each of which has two main and two secondary stresses, with little regard to the number of unstressed syllables. There is rhyme or at least assonance between the last words in each half-line.

Ich kenne einen König: Ludwig ist sein Name, er dient Gott mit ganzem Herzen. Ich bin gewiß, er wird es ihm lohnen. Den Vater verlor er [schon] in jungen Jahren, doch erhielt er sogleich Ersatz: Der Herr selbst nahm sich seiner an und wurde sein Erzieher.

(5) Er übergab ihm eine Mannschaft, ein herrscherliches Gefolge, [schenkte ihm] hier im Frankenland den Thron. Noch lange möge er sich dieser Gaben erfreuen!—Die Herrschaft hat er bald mit Karlmann, seinem Bruder, geteilt, die Summe der Freuden. Als das vollzogen war, wollte Gott ihn prüfen,

(10) ob er jung [noch] an Jahren, Gefahren zu bestehen vermöchte. Er ließ Heiden über See kommen, um das Volk der Franken seiner Sünden wegen zu mahnen. Die einen gingen sofort verloren, die andern wurden [zum ewigen Heil] auserwählt. Harte Strafe mußte jetzt erleiden, wer bis dahin in Sünden gelebt hatte.

(15) Der vormals ein Dieb gewesen war, begann zu fasten: dadurch rettete er sich und wurde noch ein guter Mensch. Der eine war ein Betrüger, der andere ein Räuber, ein dritter lebte ohne jede Beherrschung. Doch auch er befreite sich von diesem Makel durch Buße.—Der König war in der Ferne, das Reich war von Wirren erschüttert.

(20) Voll Zorn war da der heilige Christus. Wehe, das Reich mußte dafür büßen! Doch Gott war [auch] voll Erbarmen, er kannte ja ganz die gefährliche Lage, und so gebot er Ludwig, ohne Zögern dorthin zu reiten: "Ludwig, mein König, hilf du meinen Leuten! Die Normannen haben sie so sehr bedrängt."

(25) Da erwiderte Ludwig: "Herr, ich werde, wenn mich der Tod nicht daran hindert, alles tun, was du befiehlst."Er empfahl sich seinem Gott, erhob das Kriegsbanner und ritt gegen die Normannen ins Frankenland. Da dankten Gott, die ihn erwartet hatten.

38 Das Ludwigslied

 

 
30 Qhadhun al: "fro min, So lango beidon uuir thin." 30 
Thanne sprah luto Hluduig ther guoto: 
"Trostet hiu, gisellion, Mine notstallon! 
Hera santa mih god Ioh mir selbo gibod, 
Ob hiu rat thuhti, Thaz ih hier geuuhti. 
35 Mih selbon ni sparoti, Uncih hiu gineriti. 35 
Nu uuillih, thaz mir uolgon Alle godes holdon. 
Giskerit ist thiu hieruuist So lango uuili Krist. 
Uuili her unsa hinauarth, Thero habet her giuualt. 
So uuer so hier in ellian Giduot godes uuillion, 
40 Quimit he gisund uz, Ih gilonon imoz, 40 
Bilibit her thar inne, Sinemo kunnie." 
Tho nam er skild indi sper, Ellianlicho reit her, 
Uuolder uuar errahchon Sinan uuidarsahchon. 
Tho ni uuas iz burolang, Fand her thia Northman. 
45 Gode lob sageda, Her sihit thes her gereda. 45 
Ther kuning reit kuono, Sang lioth frono, 
Ioh alle saman sungun: "Kyrrieleison." 
Sang uuas gisungan, Uuig uuas bigunnan. 
Bluot skein in uuangon, Spilodun ther Urankon. 
50 Thar uaht thegeno gelih, Nichein soso Hluduig: 50 
Snel indi kuoni, Thaz uuas imo gekunni. 
Suman thuruhskluog her, Suman thuruhstah her. 
Her skancta cehanton Sinan fianton 
Bitteres lides. So uue hin hio thes libes! 
55 Gilobot si thiu godes kraft: Hluduig uuarth sigihaft; 55 
Ioh allen heiligon thanc! Sin uuarth ther sigikamf. 
Uuolar abur Hluduig, Kuning uuigsalig! 
So garo soser hio uuas, So uuar soses thurft uuas, 
Gihalde inan truhtin Bi sinan ergrehtin.— 
 
Das Ludwigslied 39

 

(30) Alle sprachen: "Herr, wir warten [schon so] lange auf dich." Mit lauter Stimme aber sagte Ludwig der Gute: "Faßt euch, Freunde, ihr meine Kampfgefährten! Gott hat mich hergesandt und gebot mir selbst, wenn es euch eine Hilfe wäre, hier zu kämpfen

(35) und mich nicht zu schonen, bis ich euch retten würde. Nun ist es mein Wunsch, daß alle mir folgen, die in Gottes Gnade stehen. Unser irdisches Sein ist nach dem Willen des heiligen Christus bemessen. Will er unseren Tod, so hat er dazu die Macht. Wer tapfer hier Gottes Willen vollbringt,

(40) dem werde ich es lohnen, wenn er lebend den Kampf übersteht. Bleibt er aber im Kampf, [vergelte ich es] seinen Verwandten. Darauf nahm er den Schild und den Speer. Mutig ritt er [allen voran]. Er wollte mit seinen Feinden eine deutliche Sprache sprechen. Nach nicht allzulanger Zeit stieß er auf die Normannen.

(45) Er lobte Gott; nun soll er sehen, was er gewünscht hat! Kühn sprengte der König voran, ein heiliges Lied auf den Lippen, und alle fielen ein mit «Kyrie eleison». Der Gesang war [kaum] verklungen, da tobte schon die Schlacht los. Das Blut schien durch die Wangen, froh jagten da die Franken.

(50) Es focht ein jeder Krieger, doch keiner so wie Ludwig, so mutig und so kühn?es war ihm angeboren. Den einen, den durchschlug er, den andern durchbohrte er. Er kredenzte ohne Pause seinen Feinden wahrlich bitteren Trank. Wehe immer über ihr Leben!—

(55) Gottes Allmacht sei gepriesen: Ludwig wurde Sieger. Dank sei gleichfalls allen Heiligen! Seinem Kampf wurde der Sieg zuteil. Dir aber, Ludwig, Heil, du unser König, im Kampf voll Glück!—Er war stets zur Stelle, wo seine Hilfe vonnöten war. Gott der Herr erhalte ihn stets in seiner Gnade!