50 Pfaffe Konrad: Rolandslied
Pfaffe KonradRolandsliedThe anonymous Kaiserchronik (c. 1135/50), which treats the history of the Roman and German emperors in 17,000 rhymed couplets, represents the first secular work in German. It is quickly followed by Pfaffe Lamprecht’s Alexanderlied (c. 1140/50), in which the fabulous ("wunderlîche") Alexander is portrayed as a mighty worldly hero whose vain deeds leave him with less than the poorest man on earth (ll. 7277f.). By rewriting the French poem of Alberich of Besançon, Pfaffe Lamprecht of Trier initiated the beginning of the influence of French culture and literature on German writers, a trend which was soon to find favor with a nobility that was definitetly more interested in worldly matters than asceticism and Christian doctrine. Approximately thirty years later, Pfaffe Konrad was commissioned by Duke Henry the Lion of Bavaria to translate—from French to Latin to German, "in franzischen zungen, / sô hân ich iz in die latîne bedwungin, / danne in di tûtiske gekêret"—the French Chanson de Roland, apparently in an effort to glorify Henry’s descent from Charlemagne. In the Rolandslied a blend is attempted between the consciousness and the legitimation of knighthood and the demands set forth by contemporary Christianity: the martial and nationalistic nature of the French epic—Roland in the French «chanson de geste» is motivated only by the glory of France—is redirected in a way that makes Roland’s heroic death at Roncevaux (778) synonymous with martyrdom:1
[...] die haiden sint vor gote virtailet.
3880 sô werdent abir mit bluote gerainet die hêren gotes marterare. 3885 [...] wî salic der ist geborn, den got dâ zû hât erchoren, daz er in sînim dîniste beliget, want er im daz himilrîche ze lône gibet. |
Verdammt von Gott sind die Heiden
Durch ihr Blut aber sind gereinigt
die heiligen Gottesmärtyrer
[...]
Begnadet ist,
wen Gott dazu bestimmte,
daß er in seinem Dienste stirbt:
denn er gibt ihm das Himmelreich zum Lohne.
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Below follows Pfaffe Konrad’s description of Charlemagne’s divine mission. We can see how knighthood is now perceived as «Gottesrittertum» (knighthood in the service of God) and how this ideal anticipates the spirit but not the dilemma of the crusading poems of the «Minnesänger» from Friedrich von Hausen to Walther von der Vogelweide.
Pfaffe Konrad: Rolandslied 51
Pfaffe Konrad
Rolandslied
Schephaere allir dinge,
cheiser allir chuninge, wol du oberister êwart, lêre mich selbe diniu wort. 5 du sende mir ze munde dîn heilege urkunde, daz ich die luge virmîde, die wârheit scrîbe von eineme tûrlichem man, 10 wie er daz gotes rîche gewan: daz ist Karl der cheiser. vor gote ist er, want er mit gote uberwant vil manige heideniske lant, 15 dâ er die cristin hât mit gêret alse uns daz buoch lêret. Karl der was Pipines sun. michel êre unde frum hât der herre gewunnin, 20 die grimmigen heiden bedwungin, daz si erkanten daz wâre liecht. sine wessen ê nicht, wer ir schephêre was. ie baz unt baz 25 steic der herre ze tugente von kintheit ce jugente, von der jugent in daz alter. nu hât in got gehalten in sîneme rîche, 30 dâ wont er îmir êwichlîche. Dô der gotes dînistman von Yspania vernam, wie unkûsclichen si lebeten, die apgot an betten, 35 daz sie got nîne vorchten, |
Schöpfer aller Dinge,
Kaiser aller Könige,
und Du, Hoherpriester,
lehre Du mich selbst Deine Wahrheit.2
Erfülle Du mich
mit dem heiligen Geiste,
daß ich die Lüge meide
und die Wahrheit schreibe
von einem edlen Mann,
davon wie er das Himmelreich gewann.
Es handelt sich um Kaiser Karl.
Er ist im Himmel,3
weil er mit Gottes Hilfe
viele heidnische Länder erobert
und damit die Christen erhöht hat,
wie uns unsere Quelle berichtet.
Karl war der Sohn Pippins.
Hohe Geltung und Besitz
hat der Fürst erkämpft,
die wilden Heiden besiegt,
so daß sie sich zur göttlichen Weisheit
[bekannten.
Vorher hatten sie nicht gewußt,
wer ihr Schöpfer sei.
Immer vollkommener
wurde der Kaiser
in der Zeit seiner Jugend und Reife
bis in sein Alter.
Nun hat Gott ihn
in sein Reich aufgenommen;
dort hat er das ewige Leben.
Als der Diener Gottes
von Spanien Kunde erhielt,
wie gottlos die Menschen dort waren,
daß sie Götzen4
anbeteten
Gott nicht fürchteten
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52 Pfaffe Konrad: Rolandslied
harte sich virworchtin
daz claget der cheiser hêre. er mante got verre, daz er durch mennisken geborn wurde, 40 an deme crûce irsturbe, daz er die sîne erlôste, daz er getrôste di manicvaldigen haidenscaft, den diu nebilvinstere nacht 45 den tôtlichen scat pære, daz er si dem tûvil benaeme. Karl bette dicke mit tiefen herceblickin. sô daz lût alliz intslief, 50 vil tiure er hin ze gote rief mit trânendin ougin. dô sach er mit flaisclichen ougin den engel von himele. er sprach zû dem kuninge: 55 "Karl, gotes dînistman, île in Yspaniam! got hât dich irhôret, daz lût wirdit bekêret. di dir abir widir sint, 60 die heizent des tûvelis kint unt sint allesamt virlorin. die slehet der gotes zorn an lîbe unt an sêle: die helle pûwint si îmermêre." 65 Karl an sîneme gebete lac
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und sich so schwer versündigten,
beklagte das der edle Kaiser.
Er bat Gott inständig
um seiner Menschwerdung für
[uns
und seines Kreuzestodes
zur Erlösung der Seinen willen,
er möge auch
die zahllosen Heiden retten,
denen die pechschwarze Nacht
ewige Finsternis bereithielte,
und möge sie dem Teufel entreißen.
Karl betete unablässig
in tiefer Andacht,
als alle andern eingeschlafen waren.
Inbrünstig rief er zu Gott5
mit Tränen in den Augen.
Da sah er mit seinen leiblichen Augen
einen Engel des Himmels.
Der Engel sprach zum König:
"Karl, Diener Gottes,
ziehe nach Spanien.
Gott hat dich erhört:
Das Heidenvolk wird bekehrt werden.
Die sich dir widersetzen,
werden Kinder des Teufels heißen
und alle verdammt sein.
Sie wird der Zorn Gottes treffen
In diesem und jenem Leben.
Sie werden ewig in der Hölle
[schmachten.
Karl lag betend auf den Knien,
bis der Morgen kam.
Dann lud er zwölf Fürsten,
seine erfahrensten
Heerführer.6
Die zeichneten sich in allem aus.
Es waren tapfere Krieger,
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Pfaffe Konrad: Rolandslied 53
des keiseres vorvechten.
ir van si gewanten nie ze dehein werltlichen scanten. 75 si wâren helde vil guot, der keiser was mit in wol behuot. si wâren kûske unde reine. den lîp fûrten si veile durch willin der sêle. 80 sine gerten nichtis mêre, wan durch got irsterbin, daz himelrîche mit der martire irwerben. Der keiser in dô sagete, daz er willen habete 85 die haidenscaft zestôren, di cristin gemêren. er sprach: "wol ir mîne vil liebin, nu scul wir gote dînin
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Vorkämpfer7
des Kaisers;
nie hatten sie die Fahne
zu schmählicher Flucht gewandt.
Sie waren überaus tapfere Männer,
ein sicherer Schutz für den Kaiser,
rein an Leib und Seele.
Sie gaben das Leben hin
um ihres Seelenheiles willen.
Nichts wünschten sie mehr,
als für Gott zu sterben
und durch das Martyrium das
[Himmelreich zu gewinnen.
Der Kaiser sagte ihnen,
daß er entschlossen sei,
das Heidentum zu vernichten
und das Christentum auszubreiten.
Er fuhr fort: "Auf denn, Geliebte des
[Herrn,
wir wollen Gott dienen
mit reinem Herzen.
Auf, tapfere Helden,
Gott hat euch hier
ein Leben in Fülle geschenkt.
Das hat er getan,
weil er [nun] dafür euern Dienst
will.
Wer [hier] um Gottes willen leidet,
dem wird [dort] der Lohn zuteil werden,
wo der Himmelskönig
zurückfordern wird,
was er euch hier geschenkt hat.
Fröhlich werdet ihr dann vor ihm
stehn!
Wer für Gott sein Leben hingibt,
hört, was der damit gewinnt:
eine Königskrone
im Chor der Märtyrer,
die wie der Morgenstern funkelt.
Nun möchte ich eure Meinung hören."
Der Ansprache wohnten
Herzöge und Grafen bei.
Der Held Roland war da
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54 Pfaffe Konrad: Rolandslied
[die dem Kaiser in keiner Gefahr von der Seite wichen,
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Pfaffe Konrad: Rolandslied 55
der nu dise hervart
gevrumit williclîche! 150 dem lônet got mit sîneme rîche, des mager grôzen trôst hân. ist ave hie dihein man der gût nemen wil, man gît im sîn vil. 155 er hât îmmer des kaiseres willin. daz merket snelle jungelinge." Also der keiser virnam, daz im wâren willic sîne man, di boten strichen in daz lant, 160 ir iegelich dar er wart gesant. sie sageten starke niumaere. die lant bestunten aller maist laere. ja wart di selbe botscaft lieb unde lobehaft. 165 er wêre frî oder eigen, si chêrten ûf die heiden, sie zeichinôten sich mit chrûcen. ja wart unter den liuten daz aller meiste lob. 170 si riefin alle an got, si manten in verre, daz in nicht mochte gewerre der michelen heiden craft. er tete si lobelichen sigehaft. 175 Mit michelem magene
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der sich diesem Kriegszug jetzt
freiwillig anschließt!
Ihm wird Gott mit dem Himmelreich
[lohnen
dessen kann er sicher sein.
ist aber einer hier,
der bezahlt werden will,
so wird man ihm reichlich geben;
der Kaiser wird ihn nicht vergessen.
Das wißt, tapfere Männer."
Sobald der Kaiser gehört hatte,
daß seine Untertanen ihm folgen
wollten,
eilten auch schon Boten ins Land,
jeder in eine andere Richtung.
Sie verkündeten die große
Neuigkeit.
Weite Landstriche entvölkerten
sich
[gleichsam
Diese Nachricht kam
gelegen und wurde gepriesen.
Freie und Unfreie
zogen gegen die Heiden
und hefteten sich das Kreuz an.8
Die Menschen
priesen alle Gott,
riefen ihn an
und baten ihn herzlich,
es möge ihnen
die Übermacht der Heiden nichts
anhaben
[können;
Gott möge sie ruhmvoll siegen
lassen.
Mit großer Kampfkraft
sammelte sich das Heer.
Alle die für Gott ausgezogen waren
und seinen Ruf vernommen hatten,
machten den Zuzug sehr groß.
Der Kaiser trat auf eine Anhöhe
und hielt eine Rede: "Euch allen, die
[ihr aufgebrochen seid,
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56 Pfaffe Konrad: Rolandslied
den lône selbe mîn trechtîn,
also er uns geheizen hât. swer wîp oder kint lât, 185 hûs oder eigen, daz wil ich iu bescaiden, wî in got lônen wil: er gît ime zehenzec stunt samvil, dar zû sîn himilrîche. 190 nu scul wir frôlîche im ophferen den lîb. er ist ime gereit in alle zît, daz er unsich entphâhe. nu scul wir heim gâhen 195 an unser alt erben, daz wir hî irwerven, daz wir daz himilrîche bûwen, des scul wir gote wol getrûwen. Nu wil ich iu clagin, 200 die heiden tuont uns grôzin scadin. si rîtent in diu lant, si stiftint roub unde brant. di gotes hûs si stôrent, daz lût si hin fûrent 205 unt opherent si den apgoten. daz ist des tûvelis spot. ir martir der ist vil. si sezzent si ze ir zil Zielscheibe unt schîzent dar zuo. 210 mochte wir dâ widire icht getuo, [vermögen, des wêre uns nôt. ich bit ûch alle durch got, daz irz williclichen tuot, habet stêtigen muot, 215 habet zucht mit guote, wesit dêmuote, wesit got untertân, |
lohne Gott,
wie er selbst uns verheißen hat:
‘Und wer verläßt Weib oder
Kinder,
Häuser oder Äcker,
wahrlich, ich sage euch,
wie Gott ihm lohnen wird.
Er wird ihm hundertfältig geben
und dazu das ewige Leben.9
Nun wollen wir ihm fröhlich
unser Leben hingeben.
Wir sind bereit, zu jeder Stunde den
Herrn
[zu empfangen.
Damit er uns aufnehme,
laßt uns heimgehen
in unser angestammtes Erbe.
Daß wir uns hier verdienen,
im Himmelreich zu wohnen,
darauf sei unsere Zuversicht in Gott
[gerichtet.
Ich will vor Euch Klage führen:
Die Heiden setzen uns böse zu.
Sie fallen in unsere Länder ein,
rauben, brandschatzen,10
zerstören die Gotteshäuser,
entführen die Menschen
und opfern sie ihren Götzen.
Das ist des Teufels Hohn.
Sie martern sie auf verschiedene Weise,
nehmen sie zur
und schießen auf sie.11
Sollten wir irgendetwas dagegen
wäre unsere Pflicht, es auch zu
tun.
Um Gottes willen bitte ich euch alle
um eure Bereitschaft.
Seid festen Herzens,
guter Gesinnung,
seid demütig,
Gott untertan und
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Pfaffe Konrad: Rolandslied 57
ûwir meisterschefte untertân.
welt ir also volkomen, 220 so vindit ir daz ze himele daz lôn der êwigin genâden." si sprâchin alle âmen. |
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euerm Herrn.
Wenn ihr das befolgt,
so werdet ihr im Himmel den Lohn
ewiger Barmherzigkeit erlangen."
Amen sagten sie alle.
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