304 The Romance Influence: Heinrich von Morungen
 


Heinrich von Morungen

I 1 Leitlîche blícke unde grôzlîche riuwe I 1
hânt mir daz herze und den lîp nâch verlorn. 
mîn alte nôt die klagte ich vür niuwe, 
wan daz ich vürhte der schimpfere zorn. 
Sínge aber ich dur die, díu mich vröwet hie bevorn, 
5 sô velsche dur got nieman mîne triuwe, 5 
wan ich durch sanc bin ze der welte geborn. 

2 Manger der sprichet: "nu sehent, wie der singet! 2
wære ime iht leit, er tæte anders danne sô." 
10 der mac niht wizzen, waz mich leides twinget: 10 
nu tuon aber ich rehte, als ich tet aldô. 
Dô ich in leide stuont, dô huop sî mich gar unhô. 
diz ist ein nôt, diu mich sanges betwinget. 
sorge ist unwert, dâ die liute sint frô. 

3 15 Diu mînes herzen ein wunne und ein krôn ist 3 15 
vor allen vrowen die ich noch hân gesehen, 
schœne unde schœne, diu liebe aller schônist, 
ist sî, mîn vrowe: des hœre ich ir jehen. 
Al diu welte si sol durch ir schœne gerne sehen. 
20 "noch wære zît, daz du mir, vrowe, lônist: 20 
ich kan mit lobe anders tôrheit verjehen." 

4 Stên ich vor ir unde schouwe daz wunder, 4
daz got mit schœne an ir lîp hât getân, 
sô ist des sô vil, daz ich sihe dâ besunder, 
25 daz ich vil gerne wolt iemer dâ stân. 25 
ôwê, sô muoz ich vil trûric scheiden dan, 
sô kumt ein wolken sô trüebez dar under, 
daz ich des schînen von ir niht enhân.

The Romance Influence: Heinrich von Morungen 305
 
 
Heinrich von Morungen
(d. 1222)
     Like Friedrich von Hausen, Heinrich von Morungen, a native of Thuringia, is also attested to in contemporary documents. He served as a «Ministeriale», that is, as a member of the lower service nobility at the court of Margrave Dietrich of Meissen—for a while also the patron of Walther von der Vogelweide—whom he had probably also accompanied to the Holy Land in 1197. He was given a veteran’s pension in the form of property by Dietrich, the proceeds of which he willed in a charter to the monastery of St. Thomas in Leipzig. He died in 1222.

    Heinrich von Morungen’s work is remarkable for its brilliant blend of imagery and formal beauty, its spirit of independence, and its ability to handle the conventional themes of «Minnesang» according to the rules, yet with complete individuality. Although his themes parallel those of Reinmar, including selfdenial, unrequited love, complaint, and entreaty, Morungen is clearly distinguished from Reinmar in that he expands on the fateful juxtaposition of love and death and incorporates nature and the senses in his poetry. Again, the manuscript tradition shows some overlaping with Reinmar and Dietmar von Eist.
 
 

(I) This poem reveals brilliant treatment of a conventional theme: the pain of love. Notice the lover’s tension—created by his desire to keep his feelings to himself for fear of ridicule. He longs for recognition by the lady, but knows that it is unattainable. He realizes it would be foolish to continue to love her, yet he cannot help it—she is so very beautiful. This and poem III are verse translations by Carl von Kraus:

(1) Blicke, die Leid schaffen, mächtiger Kummer / haben mir Seel und den Leib fast zerstört. / Die alte Not, die klagt’ ich aufs neue, / müßt ich nicht fürchten der Spottenden Hohn.
(5) Doch sing ich für die, die mich einstens machte froh, / bei Gott soll kein Mensch für falsch mich drum halten / denn für Gesang hab das Licht ich erblickt.

(2) Mancher der spricht wohl: "ei, seht, wie der singet! / Hätt er ein Leid, er tät anders als so."
(10) Der kann nicht wissen, was mich treibt zu leiden: / jetzt mache ich’s wieder genau so wie einst. / Als ich mich dem Leid hingab, da war ich ihr nichts. / Dies ist die Not, die mich zwingt da zu singen: / Sorge gilt wenig, wo Menschen sind froh .

(3) (15)Sie, meiner Seele Wonne, die Krone / aller der Fraun die ich jemals erblickt, / schön und noch schöner, an Schönheit die Schönste / ist sie, die Herrin: das muß ich gestehen. / All die Welt soll sie, die so schön ist, dringend sehn:

(20) "Noch wäre es Zeit, daß du, Herrin, mir lohntest: / Tor wär ich sonst dir zu widmen solch Lob."

(4) Steh ich vor ihr und betrachte der Schönheit / Wunder, das an ihr von Gott ist vollbracht,— / so viele Züge gibt’s da zu beschauen,
(25) daß ich gar gerne wollt ewig da stehn. / Wehe, so muß ich gar betrübt von dannen gehn: / da kommen Wolken, so dunkle, dazwischen / daß ich bin all ihres Glanzes beraubt.

306 The Romance Influence: Heinrich von Morungen

II 1 In sô hôher swebender wunne II
sô gestuont mîn herze ane vröiden nie.
ich var, als ich vliegen kunne,
mit gedanken iemer umbe sie,
5 sît daz mich ir trôst enpfie, 5
der mir durch die sêle mîn
mitten in daz herze gie.

2 Swaz ich wunneclîches schouwe, 2
daz spile gegen der wunne, die ich hân.
10 luft und erde, walt und ouwe, 10
suln die zît der vröide mîn enpfân.
mir ist komen ein hügender wân
unde ein wunneclîcher trôst,
des mîn muot sol hôhe stân.

3 15 Wol dem wunneclîchen mære, 3 15
daz sô suoze durch mîn ôre erklanc,
und der sanfte tuonder swære,
diu mit vröiden in mîn herze sanc,
dâ von mir ein wunne entspranc,
20 diu vor liebe alsam ein tou 20
mir ûz von den ougen dranc.

4 Sælic sî diu süeze stunde, 4
sælic sî diu zît, der werde tac,
dô daz wort gie von ir munde,
25 daz dem herzen mîn sô nâhen lac, 25
daz mîn lîp von vröide erschrac,
unde enweiz von liebe joch,
waz ich von ir sprechen mac.
 

III Vil süeziu senftiu tôterinne, III
war umbe welt ir tôten mir den lîp,
und i’uch sô herzeclîchen minne,
zewâre, frouwe, gar für elliu wîp?
5 wênet ir <...> ob ir mich tôtet, 5
daz ich iuch danne niemer mê beschouwe?
nein, iuwer minne hât mich des ernôtet
daz iuwer sêle ist mîner sêle frouwe.
sol mir hie niht guot geschên
10 von iuwerm werden lîbe, 10
sô muoz mîn sêle iu de verjên
dazs iuwerr sêle dienet dort als einem reinen wîbe.

The Romance Influence: Heinrich von Morungen 307
 

(II) The following poem illustrates how Heinrich von Morungen incorporates nature and the senses in his poetry.

(1) Noch nie hat mein Herz einen solchen Überschwang wonnevollen Glücks erlebt.
(5) Seit mich ihr Trost erreicht hat, der mir durch meine Seele mitten ins Herz gedrungen ist, kreise ich in Gedanken immerzu um sie, als könnte ich fliegen.

(2) Alles, was ich an Herrlichem erblicke, soll im Widerschein des Glücks erstrahlen, das ich empfinde.
(10) Luft und Erde, Wald und Wiese sollen meine Freudenzeit begrüßen. Ich habe zuversichtlichen Glauben und beseligenden Trost gewonnen; deswegen darf ich so überglücklich sein.

(3) (15) Gepriesen sei die beseligende Kunde, die mir so lieblich in den Ohren klang, und die süße Qual,
die mir mit so viel Freude ins Herz drang, wodurch mich ein Glücksgefühl durchströmte,

(20) das mir vor lauter Liebe wie ein Tau aus den Augen floß.

(4) Gepriesen sei die süße Stunde, gepriesen sei die Zeit, der Tag der Tage, an dem das Wort von ihrem Mund kam,

(25) das mir so zu Herzen ging, daß ich vor Glück erbebte und [ich] vor Liebe nicht mehr weiß, was ich über sie sagen soll.
 
 
 
 

(III) One of the principal conventions of «Minnesang» is that of the cruel lady whom the poet nevertheless cannot put out of his mind or cease to love. In this poem, Heinrich on Morungen plays with this convention in a series of paradoxes and oxymora—for instance ‘gentle murderess’—, of which the first line is a good example, and threatens even to haunt his lady in the next life if she rejects him in this one, transferring the feudal conception of subjection and service to the next world (Sayce, Poets of the Minnesang).

Ihr Mörderin, ihr süße, sanfte, / warum nur wollt ihr töten mir den Leib, / wo ich von Herzen euch doch liebe, / fürwahr, o Herrin, über alle Fraun?
(5) Wähnet ihr <...>, wenn ihr mich tötet, / daß ich euch nimmer werde dann erschaun? / Nein, dazu hat die Liebe mich gezwungen, / daß eure Seel ist Herrin meiner Seele. / Soll mir hier nicht werden Heil
(10) von eurem hehren Leibe, / muß meine Seel euch doch gestehn, / daß Eurer Seele dort sie dient als einer reinen Frauen.

308 The Romance Influence: Heinrich von Morungen

IV 1 Owê,— IV 2
sol aber mir iemer mê 
geliuhten dur die naht 
noch wîzer danne ein snê 
5 ir lîp vil wol geslaht? 5 
Der trouc diu ougen mîn: 
ich wânde, ez solde sîn 
des liehten mânen schîn. 
    Dô tagte ez. 

2 10 "Owê,— 2 10 
sol aber er iemer mê 
den morgen hie betagen? 
als uns diu naht engê, 
daz wir niht durfen klagen: 
15 ‘Owê, nu ist ez tac’, 15 
als er mit klage pflac, 
do er júngest bî mir lac. 
    Dô tagte ez." 

3 Owê,— 3
20 si kuste âne zal 20 
in dem slâfe mich. 
dô vielen hin ze tal 
ir trehene nider sich, 
iedoch getrôste ich sî, 
25 daz sî ir weinen lie 25 
und mich al umbevie. 
    Dô tagte ez. 

4"Owê,— 4
daz er sô dicke sich 
30 bî mir ersehen hât! 30 
als er endahte mich, 
sô wolt er sunder wât 
mîn arme schouwen blôz. 
ez was ein wunder grôz 
35 daz in des nie verdrôz. 35 
    Dô tagte ez."

The Romance Influence: Heinrich von Morungen 309
 
 

(IV) «Tagelieder» are rare in «Minnesang». And even this one is not of the ordinary kind. What makes this poem so remarkable are both the charming tension between secrecy and discovery expressed by the staccato-like reminders of the approaching day at the end of each strophe, and the clearly innovative and perhaps slightly ironic inclusion of the lover’s anatomy. The dialog structure of the poem is also somewhat reminiscient of a «Wechsel».

(1) "Oh weh,
wird mir je wieder ihr herrlicher Körper—noch weißer als der Schnee—durch die Nacht entgegenschimmern?
(6) Der täuschte meine Augen; ich dachte, es sei der Schein des hellen Mondes.
                Da wurde es Tag."

(2) (10) "O weh,
wird er je wieder
(10) den Morgen hier in den Tag übergehen lassen können? Die Nacht soll uns so vergehen, daß wir nicht zu klagen brauchen:
(15) ‘O weh, nun ist es Tag’, wie er klagte, als er neulich bei mir schlief.
                Da wurde es Tag."

(3) "O weh,
(20) sie küßte mich unzählige Male, als ich schlief. Da tropften ihre Tränen herab. Ich tröstete sie jedoch,
(25) so daß sie aufhörte zu weinen und mich in die Arme nahm.
                Da wurde es Tag."

(4)"O weh,
daß er sich so oft
(30) an mir festgesehen hat! Als er mir die Decke wegnahm, wollte er meine bloßen Arme hüllenlos sehen. Es war wirklich ein Wunder,
(35) daß er dessen nie müde wurde.
                Da wurde es Tag."

310 The Romance Influence: Hartmann von Aue
 
 

Hartmann von Aue
 

I 1 Dem kriuze zimet wol reiner muot I
und kiusche site,
sô mac man sælde und allez guot
erwerben dâ mite.
5 ouch ist ez niht ein kleiner haft 5
dem tumben man,
der sînem lîbe meisterschaft
niht halten kan.
Ez wil niht, daz man sî
10 der werke dar under vrî. 10
waz touget ez ûf der wât,
der sîn an dem hérzen niene hât?

2 Nu zinsent, ritter, iuwer leben 2
und ouch den muot
15 durch in, der iu dâ hât gegeben 15
beidiu lîp und guot.
swes schilt ie was zer welte bereit
ûf hôhen prîs,
ob er den gote nû verseit,
20 der ist niht wîs. 20
Wan swem daz ist beschert,
daz er dâ wol gevert,
daz giltet beidiu teil,
der welte lop, der sêle heil.

3 25 Diu werlt lachet mich triegende an 3
und winket mir.
nu hân ich als ein tumber man
gevolget ir.
der hacchen hân ich manigen tac
30 geloufen nâch, 30
dâ niemen stæte vinden mac
dar was mir gâch.
Nu hilf mir, herre Krist,
der mîn dâ vârende ist,
35 daz ich mich dem entsage 35
mit dînem zeichen, daz ich hie trage.

The Romance Influence: Hartmann von Aue 311
 
 
Hartmann von Aue
(c.1170-1215)
    Hartmann von Aue is better known as an epic poet. Thus, his lyric achievements are often overlooked in favor of his narrative works and the so-called «Büchlein» or «Klage»—which is what it is called in the prologue—, chronologically Hartmann’s oldest work (c. 1180). It represents a «Streitgespräch» or debate between the poet’s "herze," in its capacity as the repository of all the senses, and his "lîp," his body, concerning matters of love and which of the two is responsible for the spell of love. Attempts have been made to arrange his lyrical poems in chronological order, but these have largely remained futile (with the exception of the crusading songs whose lateness is unanimously accepted). Many formal features, such as the four-line «Abgesang», point to a definite Romance influence (Reusner)
 
 

(I) The following «Kreuzzugslied» was Hartmann von Aue’s first. It reveals his conviction that knighthood’s foremost task is to provide an answer to the call of "got unde der werlde gevallen" (‘to please both God and the world’). Hartmann personifies the world as a deceitful temptress who beckons him to follow her. It may be interesting to speculate on the range of meaning hidden behind the word "hacchen" (l. 29) (translated here as «Vettel»). It variously means ‘whore,’ ‘witch,’ ‘demon,’ ‘hook,’ and ‘heel,’ the latter perhaps suggesting the poet’s chase. Personifications of this kind are fairly common throughout the Middle Ages, although not the kind of personal confession which culminates in Hartmann’s rejection of Lady World’s advances. In the fourth stanza Hartmann reiterates the grief over the death of his lord, which subsequently prompted him to take up the cross in the fervent hope that any blessings deriving from such a commitment might also benefit the soul of his departed master. The "Christi Blumen" of which Hartmann speaks in l. 51f. probably just refer to the cross which he had affixed to his clothes.

(1) Nur ein reiner Sinn und ein Verhalten frei von Begehrlichkeit und Habsucht / paßt zum Zeichen der Kreuzfahrt; / dann aber kann man alles Glück und Gut [auf Erden wie im Himmel] / mit seiner Hilfe erlangen.
(5) Auch kräftigt es den Geist / dessen nicht wenig, / der seinen [schwachen] Leib / nicht beherrschen kann. / Es läßt nicht zu, daß man sich
(10) um die Erfüllung des göttlichen Gebotes drückt. / Was hat einer davon, es nur auf dem Rock zu tragen, / wenn es nicht sein Herz ausfüllt?

(2) Nun zahlt, Ritter, als Zins euer Leben / und euren Geist
(15) für ihn, der euch Leben und Reichtum / gegeben hat. / Wer stets für Erfolg und Ruhm in der Welt / zu kämpfen bereit war, / aber jetzt für Gott nicht kämpfen will,
(20) der weiß nicht, was er tut. / Denn wenn ihm vergönnt ist, / gesund zurückzukehren, / bringt ihm das doppelten Gewinn: / Ehre unter den Menschen und das ewige Leben im Himmel.

(3) (25) Voll Trug lacht die Welt mich an / und winkt mir zu. / Und in meiner Torheit ließ ich / mich von ihr verführen. Lange bin ich der Vettel
(30) nachgelaufen. / Dorthin trieb es mich, / wo zuletzt jeder verraten ist. / Mein Herr, Christus, hilf mir,
(35) mit deinem Zeichen, das ich hier trage, / mich von dem, der mich / verderben will, frei zu machen.

312 The Romance Influence: Hartmann von Aue

4 Sît mich der tôt beroubet hât 4
des herren mîn,
swie nû diu werlt nâch im gestât,
40 daz lâze ich sîn. 40
der vröide mîn den besten teil
hât er dâ hin,
schüefe ich nû der sêle heil,
daz wær ein sin.
45 Mac ich íme ze helfe komen, 45
mîn vart, die ich hân genomen,
ich wíl ime ir hálber jehen.
vor gote müeze ich in gesehen.

5 Mîn vröide wart nie sorgelôs 5
50 unz an die tage, 50
daz ich mir Kristes bluomen kôs,
die ich hie trage.
die kündent eine sumerzît,
diu alsô gar
55 in süezer ougenweide lît. 55
got helfe uns dar
hin in den zehenden kôr,
dar ûz ein hellemôr
sîn valsch verstôzen hât
60 und noch den guoten offen stât. 60

6 Mich hât diu welt alsô gewent, 6
daz mir der muot
sich zeiner mâze nâch ir sent
—dêst mir nu guot,
65 got hât vil wol ze mir getân, 65
als ez nu stât,
daz ich der sorgen bin erlân—,
diu menigen hât
Gebunden an den vuoz,
70 daz er belîben muoz, 70
swanne ich in Kristes schar
mit vröiden wunneclîche var.
 

II 1 Ich var mit iuweren hulden, herren unde mâge. II
liut unde lant die müezen sælic sîn!
ez ist unnôt, daz ieman mîner verte vrâge,

The Romance Influence: Hartmann von Aue 313
 
 

(4) Nachdem der Tod mir / meinen Herrn genommen hat, / kümmert mich nicht mehr, / was nun, nach seinem Tod, in der Welt geschieht.
(41) Mit ihm ist dahingesunken / alle Freude, die mich wirklich berührte. / Wenn ich jetzt mein Seelenheil erwürbe, / täte ich, was (nun noch) vernünftig ist.
(45) Falls ich ihm damit beistehen kann, / soll ihm der halbe Gewinn der Fahrt, / zu der ich mich verpflichtet habe, gehören. / Gott gebe, daß ich ihn vor seinem Antlitz wiedersehe!

(5) Nie konnte ich ganz unbeschwert froh sein
(50) bis zu dem Tag, / an dem ich mir Christi Blumen wählte, / die ich hier trage. / Die zeigen einen Sommer an, / der mit seiner Fülle
(55) süß das Auge erquickt. / Gott leite uns dorthin, / wo den schwarzen Teufel seine Treulosigkeit / aus dem zehnten Chor gestoßen hat, / in den die Rechtschaffenen
(60) wohl noch aufgenommen werden können.

(6) Die Welt ist so mit mir umgegangen, / daß ich nach ihr / kaum noch Verlangen empfinde. / Das ist sehr gut für mich.
(65) So wie es nun steht, / hat Gott freundlich für mich gesorgt, / daß die Rücksicht auf Irdisches, / die viele wie eine Fessel bindet, / so daß sie zurückbleiben müssen,
(70) mich nicht zu kümmern braucht, / wenn ich nun mit dem Kreuzheer / in seliger Heiterkeit aufbreche.
 
 

(II) This «Kreuzzugslied» is celebrated by many as one of the highlights of Middle High German lyric poetry (Reusner). Again, Hartmann rejects «Minne», that is, courtly love, in favor of his love for God. At first, we are left in darkness as to what the "Reise" might entail and of what kind of «Minne» Hartmann is speaking. It is not until well into the second strophe, and finally, in the third, that he reveals his intentions: to lecture his fellow poets on the futility ("wân") of the kind of «Minne» they are celebrating in their songs.

(1) Mit eurem freundlichen Einverständnis breche ich auf, ihr Herren und verwandte Freunde. / Dem Land (das ich verlasse) und den Menschen (in ihm) wünsche ich Wohlergehen. / Unnötig ist es, daß jemand nach (dem Sinn) meiner Reise fragt;

314 The Romance Influence: Hartmann von Aue

ich sage wol vür wâr die reise <mîn>.
5 Mich vienc diu minne und lie mich varn ûf mîne sicherheit.
nu hât si mir enboten bî ir liebe, daz ich var.
ez ist unwendic, ich muoz endelîchen dar.
wie kûme ich bræche mîne triuwe und mînen eit!

2 Sich rüemet maniger, waz er dur die minne tæte. 2
10 wâ sint diu werc? die rede hœre ich wol. 10
doch sæhe ich gern, daz sî ir eteslîchen bæte,
daz er ir diente, als ich ir dienen sol.
Ez ist geminnet, der sich durch die minne ellenden muoz.
nu séht, wie sî mich ûz mîner zungen ziuhet über mer.
15 und lebte mîn her Salatîn und al sîn her 15
dien bræhten mich von Vranken niemer einen vuoz

3 Ir minnesinger, iu muoz ofte misselingen, 3
daz iu den schaden tuot, daz ist der wân.
ich wil mich rüemen, ich mac wol von minnen singen,
20 sît mich diu minne hât und ich si hân. 20
Daz ich dâ wil, seht, daz wil alse gerne haben mich.
sô müest aber ir verliesen underwîlent wânes vil:
ir ringent umbe liep, daz iuwer niht enwil.
wan müget ir armen minnen solhe minne als ich?
 

III 1 Manger grüezet mich alsô III
—der gruoz tuot mich ze mâze vrô—:
"Hartman, gên wir schouwen
ritterlîche vrouwen."
5 mac er mich mit gemache lân 5
und île er zuo den vrowen gân!
bî vrowen triuwe ich niht vervân,
wan daz ich müede vor in stân.

2 Ze vrowen habe ich einen sin: 2
10 als sî mir sint, als bin ich in; 10
wand ich mac baz vertrîben
die zît mit armen wîben.
swar ich kum, dâ ist ir vil,
dâ vinde ich die, diu mich dâ wil;
15 diu ist ouch mînes herzen spil. 15
waz touc mir ein ze hôhez zil?

The Romance Influence: Hartmann von Aue 315
 
 

denn ich bekenne frei mein Ziel:
(5) Die Liebe hat mich gefangen, nur ließ sie mich (bisher) auf mein Treueversprechen hin meiner Wege gehn. / Nun hat sie mir, wenn ich sie nicht verlieren will, den Aufbruch geboten. / Es gibt kein Zurück, ich muß mich auf den Weg dorthin zu meinem endgültigen Ziel machen. / Unmöglich kann ich Treue und Eid brechen.

(2) Viele rühmen sich dessen,
(10) was sie um der Liebe willen vollbringen. / Die Worte höre ich gut, aber wo sind die Taten? / Dagegen verlangte mich danach zu sehen, daß sie viele von ihnen bitten würde, / ihr so zu dienen, wie es meine Aufgabe ist. / Das ist Liebe, wenn man um der Liebe willen, was man liebt, verlassen muß. / Nun seht, wie sie mich aus der Heimat über das Meer (in die Fremde) fortreißt.
(15) Und mag auch Herr Saladin1 leben, er und sein ganzes Heer, / die brächten mich aus diesem Land nicht einen Schritt.

(3) Ihr Minnesänger, ihr müßt ja scheitern. / Wenn ihr erfolglos seid, liegt es daran, daß eure Liebe nicht mehr als (bloße) Hoffnung ist. / Ich kann mich dagegen rühmen, von wahrer Liebe zu singen,
(20) da wir, die Liebe und ich, gegenseitig unser sicher sind. / Was ich begehre, seht, das will ebenso begierig mich. / Dagegen muß euch eure Hoffnung immer wieder enttäuschen, / denn ihr jagt einem Partner nach, dem ihr gleichgültig seid. / Warum könnt ihr Armen nicht eine Liebe lieben wie ich?

(III) This critique of unrequited love reflects Hartmann’s annoyance at one-sided relationships. What is unusual is the fact that he refers to himself in the poem by name, a rare feature in lyric poetry. It is debatable whether the poem is one of Hartmann’s latest love songs, thus spelling out his final verdict of courtly love, or whether it merely represents an early glimpse at Walther von der Vogelweide’s concept of «ebene Minne», or mutual love.

(1) Manch einer spricht mich so an—/ was mich gar nicht in Begeisterung versetzt: / "Hartmann, laß uns den ritterlichen Damen / den Hof machen!"
(5) Mag er mich doch in Ruhe lassen / und losrennen zu den Damen! / Bei vornehmen Frauen werde ich, wie ich weiß, nichts anderes zuwege bringen, / als müde vor ihnen zu stehen.

(2) In bezug auf Damen denke ich folgendes:
(10) Wie sie zu mir sind, so bin ich zu ihnen. / Denn ich kann meine Zeit angenehmer / mit einfachen Frauen verbringen. / Von ihnen gibt es viele, wohin ich auch komme. / Da finde ich eine, / der ich nicht nachlaufen muß;
(15) in sie bin ich gerne verliebt. / Was habe ich davon, wenn meine Gedanken zu hoch hinauswollen?
 
 

316 The Romance Influence: Hartmann von Aue

3 In mîner tôrheit mir beschach, 3
daz ich zuo zeiner vrowen gesprach: 
"vrowe, ích hân mîne sinne 
20 gewant an iuwer minne." 20 
dô wart ich twerhes an gesehen. 
des wil ich, des sî iu bejehen, 
mir wîp in solher mâze spehen, 
diu mir des niht enlânt beschehen.
Werner von Teufen (1310-1330)

The Romance Influence: Hartmann von Aue 317
 
 

(3) Aus Dummheit / sagte ich einmal zu einer Dame: / "Herrin, ich habe beschlossen, / (20) Euch zu lieben." / Da hat sie mich schief angesehen. / Daher will ich, sei euch gesagt, / mir solche Frauen aussuchen, / bei denen mir so etwas nicht passieren kann.

Hiltbolt von Schwangau (1310-1330)