176 Wolfram von Eschenbach: Parzival
"dune solt niht hinnen kêren,
ich wil dich list ê lêren. 15 an ungebanten strâzen 15 soltu tunkel vürte lâzen: die sîhte und lûter sîn, dâ soltu al balde rîten in. du solt dich site nieten, 20 der werlde grüezen bieten. 20 Ob dich ein grâ wîse man zuht wil lêren als er wol kan, dem soltu gerne volgen, und wis im niht erbolgen. 25 sun, lâ dir bevolhen sîn, 25 swa du guotes wîbes vingerlîn mügest erwerben unt ir gruoz, daz nim: ez tuot dir kumbers buoz du solt ze ir kusse gâhen und ir lîp vast umbevâhen: 128 daz gît gelücke und hôhen muot, 128 ob si kiusche ist unde guot. du solt ouch wizzen, sun mîn, der stolze küene Lähelîn 5 dînen vürsten abe ervaht zwei lant, 5 diu solten dienen dîner hant, Wâleis und Norgâls. ein dîn vürste Turkentâls den tôt von sîner hende enpfienc: 10 dîn volc er sluoc unde vienc." 10 "diz riche ich, muoter. ruocht es got, in verwundet noch mîn gabylôt." des morgens dô der tag erschein, der knappe balde wart enein, 15 im was gein Artûse gâch. 15 [vrou] Herzeloyde in kuste und lief im nâch. der werlde riuwe aldâ geschach. dô si ir sun niht langer sach (der reit enwec, wem ist deste baz?), 20 dô viel diu vrouwe valsches laz 20 ûf die erde, aldâ si jâmer sneit sô daz si ein sterben niht vermeit. ir vil getriulîcher tôt |
Wolfram von Eschenbach: Parzival 177
"Brich nicht auf, bevor ich dir / guten Rat gegeben habe.
(15) Wenn du nicht auf Straßen reitest, / sollst du dunkle Furten meiden; / sind sie aber seicht und klar, / so reite ohne Zögern durch.3 / Und nimm die gute Sitte an,(20) entbiete aller Welt den Gruß. / Wenn dich ein grauer, weiser Mann / belehren will—das kann er gut—/ gehorche ihm aus freien Stücken / und begehre nur nicht auf.
(25) Mein Sohn, ich geb dir noch den Rat: / kannst du bei einer lieben Frau / die Neigung und den Ring gewinnen, / tu’s! Es macht dir Schweres leicht. / Fackel nicht und küsse sie, nimm sie fest in deine Arme—
(128) wenn sie keusch, gesittet ist, / bringt das Glück und Hochgefühl! / Mein Sohn, ich muß dir noch was sagen: / Llewelyn, so stolz wie dreist,
(5) eroberte von deinen Fürsten / zwei Länder, die dir untertan / sein sollten: Wales sowie Norgals. / Dein Vasall, Fürst Turkentals, / wurde von ihm umgebracht,
(10) und er besiegte deine Leute." / "Das räch ich, Mutter, so Gott will—mit meinem Jagdspeer treff ich ihn?"4/ Am Morgen, als der Tag anbrach, / war der Junge rasch entschlossen:(15) er wollte möglichst schnell zu Artus! / Herzeloyde küßte ihn und lief / ihm nach. Großes Leid für alle: / als sie den Sohn nicht länger sah / (er ritt davon, wen konnt’ das freuen?),
(20) sank die Frau (so gut war sie!) / auf den Boden, und der Schmerz / so schneidend, daß sie sterben mußte. / Ihr Tod aus Liebe, starker Bindung,
178 Wolfram von Eschenbach: Parzival
der vrouwen wert die hellenôt. [...]
130 ouch hete daz minneclîche wîp 130 25 langen arm und blanke hant. 25 der knappe ein vingerlîn dâ vant, daz in gein dem bette twanc, da er mit der herzoginne ranc. dô dâhte er an die muoter sîn: diu riet an wîbes vingerlîn. 131 ouch spranc der knappe wol getân 131 von dem teppiche an daz bette sân. Diu süeze kiusche unsanfte erschrac, do der knappe an ir arme lac: 5 si muose iedoch erwachen. 5 mit schame al sunder lachen diu vrouwe zuht gelêret sprach "wer hât mich entêret? junchêrre, es ist iu gar ze vil: 10 ir möht iu nemen ander zil." 10 diu vrouwe lûte clagte: ern ruochte waz si sagte, ir munt er an den sînen twanc. dâ nâch was dô niht ze lanc, 15 er dructe an sich die herzogîn 15 und nam ir ouch ein vingerlîn. an ir hemde ein vürspan er dâ sach: ungevuoge erz dannen brach. diu vrouwe was mit wîbes wer: 20 ir was sîn craft ein ganzez her. 20 doch wart dâ ringens vil getân. der knappe clagete den hunger sân. diu vrouwe was ir lîbes lieht: sie sprach "ir solt mîn ezzen niht. 25 wært ir ze vrumen wîse, 25 ir næmt iu ander spîse. dort stêt brôt unde wîn, und ouch zwei pardrîsekîn, als sie ein juncvrouwe brâhte, diu es wênec iu gedâhte." 132 Ern ruochte wâ diu wirtin saz: 132 einen guoten cropf er az, dar nâch er swære trünke tranc. die vrouwen dûhte gar ze lanc |
Wolfram von Eschenbach: Parzival 179
(24) schützt sie vor der Höllenqual.
Parzival does not turn around and hence does not see his mother’s plight (as he does in Chrétien’s version). He rides for a whole day and night, and on the following morning comes upon a tent which is occupied by Jeschute, the wife of Orilus.
(130) Auch hatte diese Liebesschöne
(25) schlanke Arme, weiße Hände. / Der Junge sah hier einen Ring, / der zog ihn magisch an das Bett, / er raufte mit der Herzogin, / denn er dachte an die Mutter: sie empfahl ihm Frauenringe.
(131) So war denn dieser hübsche Junge / vom Teppich auf ihr Bett gesprungen. / Als er in ihren Armen lag, / fuhr sie (schön und züchtig) auf:
(5) das hatte sie ja wecken müssen! / Sie lachte nicht, sie schämte sich. / Die höfisch edle Dame rief: / "Wer ist es, der mich hier entehrt?! / Ihr treibt es, Junker, gar zu arg—
(10) bitte sucht ein andres Opfer." / Die Dame klagte laut—doch ihn / bekümmerte ihr Reden nicht, / er preßte seinen Mund auf ihren, / und es dauerte nicht lang,
(15) da riß er sie an sich heran, / raubte ihr auch noch den Ring, / sah an ihrem Hemd die Spange, / riß sie runter, mit Gewalt; / sie wehrte sich mit Frauenkraft—
(20) er war ein ganzes Heer für sie!5 / Und trotzdem zog der Kampf sich hin. / Der Junge klagte, er sei hungrig. / Die Herzogin, verlockend schön, / sagte: "Freßt mich bloß nicht auf!(25) Wenn Ihr wüßtet, was Euch nützt, / Ihr würdet etwas andres essen. / Dort stehen Brot und Wein und noch dazu zwei Rebhühnlein, / die brachte meine Dienerin—/ sie hat die kaum für Euch bestimmt!"
(132) Ihm war egal, wo die Wirtin saß, / er stopfte sich die Backen voll, / trank darauf in großen Schlucken. / Die Zeit erschien ihr endlos lang,
180 Wolfram von Eschenbach: Parzival
5 sîns wesens in dem poulûn. 5
si wânde, er wære ein garzûn gescheiden von den witzen. ir scham begunde switzen. iedoch sprach diu herzogîn 10 "junchhêrre, ir sult mîn vingerlîn 10 hie lâzen unt mîn vürspan. hebt iuch enwec: wan kumt mîn man, ir müezet zürnen lîden, daz ir gerner möhtet mîden." 15 dô sprach der knappe wol geborn 15 "wê waz vürhte ich iuwers mannes zorn? wan schadet ez iu an êren, sô wil ich hinnen kêren." dô gieng er zuo dem bette sân: 20 ein ander kus dâ wart getân. 20 daz was der herzoginne leit. der knappe ân urloup dannen reit: iedoch sprach er "got hüete dîn: alsus riet mir diu muoter mîn." [...] 140 "bon fîz, scher fîz, bêâ fîz, 140 alsus hât mich genennet der mich dâ heime erkennet." Dô diu rede was getân, 10 si erkante in bî dem namen sân. 10 nu hœrt in rehter nennen, daz ir wol müget erkennen wer dirre âventiure hêrre sî: der hielt der juncvrouwen bî. 15 ir rôter munt sprach sunder twâl 15 "deiswâr du heizest Parzivâl. der name ist ‘Rehte enmitten durch.’ grôz liebe ier solh herzen vurch mit dîner muoter triuwe: 20 dîn vater liez ir riuwe. 20 ichn gihe dirs niht ze ruome, dîn muoter is mîn muome, und sag dir sunder valschen list die rehten wârheit, wer du bist. 25 dîn vater was ein Anschevîn: 25 |
Wolfram von Eschenbach: Parzival 181
die er bei ihr im Zelte war;
(5) sie dachte, dieser écuyer6 / hätte den Verstand verloren. / Sie begann vor Scham zu schwitzen. / Und doch, die Herzogin sprach so:(10) "Junker, laßt hier meinen Ring / zurück, die Spange ebenfalls. / Verschwindet jetzt! Denn: kommt mein Mann, / so kriegt Ihr seinen Zorn zu spüren—/ da wär es besser, auszuweichen!"
(15) Der edle Junge sagte drauf: / "Ha, was fürcht ich seinen Zorn?! Doch wenn das Eurer Ehre schadet, / werde ich mich jetzt empfehlen." / Er ging sogleich zu ihrem Bett,
(20) und gab ihr nochmals einen Kuß—/ die Herzogin war sehr dagegen./ Er fragte vorher nicht, brach auf, / doch sagte er: "Gott schütze dich. / Mutter riet mir, das zu sagen..."
The wretched Jeschute pays the penalty for Parzival’s crudity. When Orilus returns, he thinks a lover has visited her and makes her ride in tattered clothes with a loose rein before him until he can avenge his honor.
Parzival’s next encounter is with his cousin Sigune. Her lover, Schionatulander, had fought for Parzival’s side against Llewelyn and had been killed by the same Orilus who is now seeking his revenge on Parzival. Parzival resolves to avenge Schionatulander’s death, but Sigune senses almost immediately that Parzival is not merely motivated by fame and the challenges of knighthood but also by compassion (140: 2); she thus plants the seed for the »Mitleidsfrage« (795: 29: "œheim, waz wirret dir?"). Sigune recognizes who Parzival is when she hears that all he has been called up to now is ‘bon fils, cher fils, beau fils.’
(140) "Bon fils, cher fils, beau fils—/ so haben alle mich genannt, / denen ich daheim bekannt war."
(10) Er hatte das kaum ausgesprochen, / da wußte sie schon seinen Namen! / Nun hört den in korrekter Form, / damit ihr alle wißt, genau, / wer Hauptheld der Geschichte ist / und bei der jungen Dame war.
(15) Sie sagte gleich: / "Dein Name lautet: Par-zi-val, / und dies bedeutet: Durch-das-Tal! / Bei deiner Mutter zog die Liebe / mitten durch das Herz die Furche.
(20) Dein Vater hinterließ ihr Schmerz. / Dies soll dich nicht eitel machen: / deine Mutter ist meine Tante. / Ich sage dir geradheraus / die ganze Wahrheit: wer du bist.
(25) Dein Vater war ein Anjou,
182 Wolfram von Eschenbach: Parzival
ein Wâleis von der muoter dîn
bistu geborn von Kanvoleiz. [...] 154 gip mir dâ du ûffe rîtes, 154 5 und dar zuo al dîn harnas: 5 daz enpfieng ich ûf dem palas: dar inne ich riter werden muoz. widersagt sî dir mîn gruoz, ob du mirz ungerne gîst. 10 wer mich, ob du bî witzen sîst." 10 der künec von Kukûmerlant sprach "hât Artûses hant dir mîn harnasch gegeben, dêswâr daz tæte er ouch mîn leben, 15 möhtestu mirz an gewinnen. 15 sus kan er vriunde minnen. was er dir aber ê iht holt, dîn dienst gedient sô schiere den solt." "ich getar wol dienen swaz ich sol: 20 ouch hât er mich gewert vil wol. 20 gip her und lâz dîn lantreht: ichne wil niht langer sîn ein kneht, ich sol schildes ambet hân." er greif im nâch dem zoume sân: 25 "du maht wol wesen Lähelin, 25 von dem mir claget diu muoter mîn." Der ritter umbe kêrt den schaft, und stach den knappen sô mit craft, daz er und sîn pfärdelîn muosen vallende ûf die bluomen sîn. 155 der helt was zornes dræte: 155 er sluog in daz im wæte von dem schafte ûz der swarten bluot. Parzivâl der knappe guot 5 stuont al zornic ûf dem plân. 5 sîn gabylôt begreif er sân. dâ der helm unt diu barbier sich locheten ob dem härsnier, durchz ouge in sneit daz gabylôt, 10 unt durch den nac, sô daz er tôt 10 viel, der valscheit widersatz. [wîbe] siufzen, herzen jâmers cratz gab Ithêrs tôt von Gaheviez, der wîben nazziu ougen liez. [...] |
Wolfram von Eschenbach: Parzival 183
deine Mutter stammt aus Wales, / dein Geburtsort ist Kanvolais."
Parzival is guided to Arthur’s court by a fisherman and outside meets Ither, the Red Knight, who asks him to deliver a challenge. The boy agrees and enters the court. He asks for Ither’s armor, and although Arthur likes him, he refuses. The malicious Keie twists Arthur’s reply to Parzival’s request to make him think the king consents. Parzival goes back to Ither and tells him that Arthur has granted him the armor.
(154) "Nun gib mir schon, worauf du reitest,
(5) und die Rüstung gleich dazu—/ im Palas ward mir das geschenkt, / ich muß darin ein Ritter werden. / Ich nehme meinen Gruß zurück, / wenn du mir das nicht gerne gibst.
(10) Doch wenn du schlau bist, rück es raus!" / Der König von Cucumberland sagte: "Wenn dir König Artus / meine Rüstung schenkte, / gab er mein Leben gleich dazu—
(15) falls du es mir nehmen kannst! / Wie muß der seine Freunde lieben! / Hat er dir seine Gunst bezeugt, / so wird dein Dienst sehr rasch belohnt!" / "Ich verdien, was mir gebührt!
(20) Er hat es mir sehr gern geschenkt. / Gib’s her! Und höre auf zu rechten! / Ich will nicht länger Knappe sein, / ich muß jetzt in den Ritterdienst!" / Und schon griff er nach dem Zügel.
(25) "Womöglich bist du Llewelyn—/ Mutter klagte über ihn!" / Der Ritter wendete den Schaft / und stieß den Bub mit solcher Kraft, / daß er mitsamt dem kleinen Pferd / in die Blumen stürzen mußte."
(155) Es hatte dieser Held vor Wut / so zugestoßen, daß das Blut / unterm Schaft aus seiner Haut / hochsprühte. Parzival
(5) stand wütend auf der plaine,7 / griff zu seinem javelot.8 / Wo der Spalt ist zwischen Helm, / Ringkapuze und Gesichtsschutz, / stieß der javelot durchs Auge,(10) durchs Genick, so daß er tot / herunterfiel. Den Feind der Falschheit / beklagen Frauen: es zerriß / ihre Herzen, daß Ither starb; / er hinterließ hier nasse Augen.
184 Wolfram von Eschenbach: Parzival
170 "habt iuch an mînen rât:
170
der scheidet iuch von missetât. 15 sus hebe ich an (lât es iuch gezemen): 15 ir sult niemer iuch verschemen. verschamter lîp, waz touc der mêr? der wont in der mûze rêr, dâ im werdekeit entrîset 20 unde in gein der helle wîset. 20 ir tragt geschickede unde schîn, ir mugt wol volkes hêrre sîn. ist hôch und hœht sich iuwer art, lât iuweren willen des bewart, 25 iuch sol erbarmen nôtec her: 25 gein des kumber sît ze wer mit milte und mit güete: vlîzet iuch diemüete. der kumberhafte werde man wol mit schame ringen kan 171 (daz ist ein unsüez arbeit): 171 dem sult ir helfe sîn bereit. swenne ir dem tuot kumbers buoz, sô nâhet iu der gotes gruoz. 5 im ist noch wirs dan den die gênt 5 nâch brôte aldâ diu venster stênt. Ir sult bescheidenlîche sîn arm unde rîche. wan swâ der hêrre gar vertuot, 10 daz ist niht hêrenlîcher muot: 10 sament er aber schaz ze sêre, daz sint ouch unêre. gebt rehter mâze ir orden. ich bin wol innen worden 15 daz ir râtes dürftic sît: 15 nu lât der unvuoge ir strît. irn sult niht vil gevrâgen: ouch sol iuch niht betrâgen bedâhter gegenrede, diu gê 20 rehte als jenes vrâgen stê, 20 der iuch wil mit worten spehen. |
Wolfram von Eschenbach: Parzival 185
Parzival is unmoved by what he has done. With the help of a squire, Iwanet, he takes Ither’s armor and puts it on over his fool’s clothing. His next encounter is with Gournemans, an elderly knight. Gournemans instructs Parzival in courtly manners and the bearing of arms. He learns quickly.
(170) "Haltet Euch an meine Lehre, / denn so macht Ihr keine Fehler.
(15) Ich fange an, erlaubt es mir: / verliert nur nie den Sinn für Scham. / Wer sich nicht schämt, was taugt der noch? / Das ist wie Mauser, Federfall: / Wert und Würde sinken nieder,
(20) zeigen ihm den Weg zur Hölle. / Mit Eurem Aussehn, Eurer Schönheit / könntet Ihr ein Herrscher werden. / Seid Ihr edel, strebt nach oben, / so bleibt Euch in dem Punkte treu,
(25) helft den Vielen in der Not, / kämpft gegen ihre Armut an / mit Güte, Generosität, / gebt niemals Eure Demut auf. / Gerät ein edler Mann in Not, / so hat er mit der Scham zu kämpfen
(171) (und das ist ein bittrer Kampf!)—/ seid bereit auch ihm zu helfen.
(5) Er ist noch übler dran als jene, / die vor Fenstern Brot erbetteln. / Rettet Ihr ihn aus der Not, / kommt Gottes Gnade auf Euch zu. / Doch ob Ihr arm seid oder reich—/ zeigt stets das rechte Augenmaß. / Ein Herr, der den Besitz verschleudert,
(10) benimmt sich gar nicht wie ein Herr; / doch wenn er dauernd Schätze häuft, / so ist das auch nicht ehrenvoll. / Haltet immer Maß und Ziel. / Ich habe Anlaß festzustellen
(15) daß Ihr Unterweisung braucht. / Seid nicht mehr so ungehobelt! / Ihr sollt nicht viele Fragen stellen! / Gewöhnt Euch an zu überlegen, / was Ihr zur Antwort geben wollt;
(20) sie geh auf dessen Frage ein, / der etwas von Euch hören will.
186 Wolfram von Eschenbach: Parzival
ir kunnet hœren unde sehen,
entseben unde dræhen: daz solte iuch witzen næhen. 25 lât derbärme bî der vrävel sîn 25 (sus tuot mir râtes volge schîn). an swem ir strîtes sicherheit bezalt, ern habe iu sölhiu leit getân diu herzen kumber wesen, die nemt, und lâzet in genesen. 172 ir müezet dicke wâpen tragen: 172 so ez von iu kom, daz ir getwagen under ougen unde an handen sît (des ist nâch îsers râme zît), 5 sô wert ir minneclîch gevar: 5 des nement wîbes ougen war. Sît manlîch und wol gemuot: daz ist ze werdem prîse guot. und lât iu liep sîn diu wîp: 10 daz tiuret junges mannes lîp. 10 gewenket nimmer tag an in: daz ist reht manlîcher sin. welt ir in gerne liegen, ir muget ir vil betriegen: 15 gein werder minne valscher list 15 hât gein prîse kurze vrist. [...] 192 Daz kom als ich iu sagen wil. 192 ez brach niht wîplîchiu zil: mit stæte kiusche truoc diu magt, von der ein teil hie wirt gesagt. 5 die twanc urliuges nôt 5 und lieber helfære tôt ir herze an sölhez crachen, daz ir ougen muosen wachen. dô gienc diu küneginne, 10 niht nâch sölher minne 10 diu sölhen namen reizet der meide wîp heizet, si suochte helfe unt vriundes rât. an ir was werlîchiu wât, 15 ein hemde wîz sîdîn: 15 waz möhte kampflîcher sîn, dan gein dem man sus komende ein wîp? |
Wolfram von Eschenbach: Parzival 187
Ihr könnt doch hören, sehen, / schmecken, riechen—/ all dies bringe Euch so langsam zu Verstand!
(25) Verbindet mit dem Mut das Mitleid—/ so befolgt Ihr meine Lehre. / Wenn einer sich Euch unterwirft, / per Ehrenwort, so nehmt es an / und laßt ihn leben—/ falls er Euch / nichts antat, was das Herz zerbricht.
(172) Ihr werdet oft die Rüstung tragen; / sobald die von Euch abgelegt ist, / wascht Euch Hände und Gesicht—/ sobald sich Rost zeigt, wird es Zeit!
(5) Ihr wirkt dann wieder angenehm—/ und das bemerken Frauen gleich! / Seid mutig und seid hochgestimmt, / das fördert Euren schönen Ruhm.
(10) Und haltet stets die Frauen hoch—/ so steigt ein junger Mann im Rang. / Bleibt hier fest, an jedem Tag—/ hier zeigt sich männliche Gesinnung. / Wenn ihr sie belügen wollt, / da könnt Ihr viele leicht betrügen!
(15) Doch Betrug ist nicht von Dauer—/ anders als der Ruhm, die Liebe.9Parzival stays two weeks with Gournemans, who wants him very much to remain and marry his daughter Liace. Although he is attracted by her innocence and beauty, Parzival decides he needs more experience in chivalric exploits. He rides on and arrives in the town of Beaurepaire (»beautiful place to repair to«), which is under strict siege and whose inhabitants are starving. He is well received by its princess, Conduir-amour (»one who leads love to fulfilment»), who is the niece of Gournemans. During the night she determines to visit his room to ask for his help against the besiegers.
(192) Und das kam so, ich sag es euch. / Sie überschritt nicht Frauengrenzen; / rein und keusch blieb diese Jungfrau, / von der ich hier erzähle.
(5) Das Elend, das der Krieg bewirkte / und das Sterben vieler Helfer, / das bedrückte so ihr Herz, / daß sie nicht mehr schlafen konnte. Die Königin brach auf, zur Liebe—
(10) freilich nicht von jener Art, / die dazu führt, daß man die Jungfrau / dann als Frau bezeichnen muß; / sie suchte Freundesrat und -hilfe. / Sie war zu einem Kampf gerüstet:
(15) weiß und seiden war ihr Hemd. / Die Frau, die zum Geliebten kommt—/ säh sie kampfbereiter aus?
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