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188 Wolfram von Eschenbach: Parzival
 
 

 
ouch swanc diu vrouwe umbe ir lîp 
von samît einen mantel lanc. 
20 si gienc als si der kumber twanc. 20 
juncvrouwen, kamerære, 
swaz der dâ bî ir wære, 
die lie si slâfen über al. 
dô sleich si lîse ân allen schal 
25 in eine kemenâten. 25 
daz schuofen die ez dâ tâten, 
daz Parzivâl al eine lac. 
von kerzen lieht alsam der tac 
was vor sîner slâfstat. 
gein sînem bette gieng ir pfat: 
193 ûf den teppech kniete si vür in. 193 
si heten beidiu cranken sin, 
Er unt diu küneginne, 
an bî ligender minne. 
5 hie wart alsus geworben: 5 
an vröuden verdorben 
was diu magt: des twanc si schem: 
ob er si hin an iht nem? 
leider des enkan er niht. 
10 âne kunst ez doch geschiht, 10 
mit eime alsô bewanden vride, 
daz si diu süenebæren lide 
niht ze ein ander brâhten. 
wênc si des gedâhten. 
15 der magede jâmer was sô grôz, 15 
vil zäher von ir ougen vlôz 
ûf den jungen Parzivâl. 
der erhôrte ir weinens sölhen schal, 
daz er si wachende an gesach. 
20 leit und liep im dran geschach. 20 
ûf rihte sich der junge man, 
zer küneginne sprach er sân 
"vrouwe, bin ich iuwer spot? 
ir soldet knien alsus vür got. 
25 geruochet sitzen zuo mir her" 25 
(daz was sîn bete und sîn ger): 
"oder leit iuch hie aldâ ich lac. 
lât mich belîben swâ ich mac." 
si sprach "welt ir iuch êren, 
sölhe mâze gein mir kêren
 
Wolfram von Eschenbach: Parzival 189

Sie hatte sich noch einen Mantel / umgehängt—aus Brokat.

(20) Sie ging, weil dies die Not erzwang. / Junge Damen, Kammerpagen / und was sonst zu Diensten war, / die ließ sie schlafen, ringsumher. / Sie schlich auf Zehenspitzen lautlos

(25) zur besagten Kemenate. / Man hatte es so eingerichtet, / daß Parzival alleine schlief. / An seinem Bett war es so hell / von Kerzen wie bei Tageslicht. / Sie kam des Wegs zu diesem Bett

(193) und kniete nieder auf dem Teppich. / Er und diese Königin—/ die beiden hatten nichts im Sinn / mit Liebe, die den Beischlaf will.

(5) Hier geschah nur Folgendes: / die Lust war für die Jungfrau tot, / sie folgte dem Gebot der Scham. / Ob er sie nun an sich zog—? / Ach, davon versteht er nichts.

(10) Dennoch tut er’s, ohne Absicht, / mit einem Friedensschluß wie folgt: / die Glieder, die sich gern versöhnen, / müssen sich nicht erst verbünden. / Die beiden dachten an ganz andres.

(15) Des Mädchens Jammer war so groß, / ihm flossen Tränen aus den Augen / auf den jungen Parzival. / Der hörte ihr lautes Schluchzen, / schaute sie erwachend an.

(20) Das war ihm lieb, das tat ihm weh. / Der junge Mann, er richtete / sich auf und sprach zur Königin: / "Herrin, treibt Ihr mit mir Spott? / Nur vor Gott dürft Ihr so knien!

(25) Geruht Euch bitte herzusetzen / (das wünschte er, das wollte er), / oder legt Euch, wo ich lag. / Ich find schon einen Platz für mich." / "Wenn Ihr Eure Ehre wahrt und Euch so bei mir beherrscht,

190 Wolfram von Eschenbach: Parzival
 
 
 
194 daz ir mir ringet niht, 194 
2 mîn ligen aldâ bî iu geschiht." 2 
des wart ein vride von im getân: 
si smouc sich an daz bette sân. 
[...] 
235 âvoy nu siht man sehse gên 235 
in wæte die man tiure galt: 
10 daz was halbez plîalt, 10 
daz ander pfell von Ninnivê. 
dise unt die êrsten sehse ê 
truogen zwelf röcke geteilt, 
gein tiurer kost geveilt. 
15 nâch den kom diu künegîn. 15 
ir antlütze gap den schîn, 
si wânden alle ez wolde tagen. 
man sach die maget an ir tragen 
pfellel von Arâbî. 
20 ûf einem grüenen achmardî 20 
truoc si den wunsch von pardîs, 
bêde wurzeln unde rîs. 
daz was ein dinc, daz hiez der Grâl, 
erden wunsches überwal. 
25 Repanse de schoy si hiez, 25 
die sich der grâl tragen liez. 
der grâl was von sölher art: 
wol muose ir kiusche sîn bewart, 
diu sîn ze rehte solde pflegen: 
diu muose valsches sich bewegen. 
236 Vor dem grâle kômen lieht: 236 
diu wârn von armer koste niht; 
sehs glas lanc lûter wolgetân, 
dar inne balsem der wol bran. 
5 dô si kômen von der tür 5 
ze rehter mâze alsus her vür, 
mit zühten neic diu künegîn 
und al diu juncvröuwelîn 
die dâ truogen balsemvaz. 
10 diu küngîn valscheite laz 10 
sazte vür den wirt den grâl. 
[...] 
238 man sagte mir, diz sage ouch ich 238 
ûf iuwer ieslîches eit,   
 
Wolfram von Eschenbach: Parzival 191
 
 

(194) daß Ihr mit mir nicht rangeln wollt, / (2) so lege ich mich neben Euch." / Er bot ihr sichren Frieden an; / sie kuschelte sich in sein Bett.

The night is passed in complete innocence (a fact Wolfram emphasizes). The next day Parzival defeats Kingrun, one of the besiegers and sends him, as a mark of honor, to Cunneware to make his surrender. Parzival marries Conduir-amour and defeats other besiegers, among them Clamidé. After about a year of happiness, Parzival asks leave to seek out his mother. The first day he arrives at a lake where he sees a nobleman fishing and is invited by him to his castle. There he is well received. A rich cloak is given him by Repanse de Joie, the guardian of the Grail. He sees his host sitting before a great fire. A bleeding lance is borne around amid great lamenting. Then a procession of maidens enters.

(235) Alors, da kommt ein halbes Dutzend / in Kleidern, die sehr teuer waren:

(10) zur Hälfte jeweils von Brokat / und Seidenstoff aus Ninive. / Diese und die sechs zuvor / trugen Röcke in zwei Farben—/ hatten sehr viel Geld gekostet.

(15) Nach ihnen kam die Königin. / Ihr Angesicht war derart hell—/ allen schien, es werde Tag. / Wie sich zeigte, trug die Jungfrau / Seidenstoff aus Arabi;10

(20) auf einem grünen Achmardi11 / trug sie das Glück vom Paradies / (war Wurzel und zugleich der Wuchs), / es war ein Ding, das hieß Der Gral, / der die Vollendung übertraf.

(25) Von der Der Gral sich tragen ließ, / sie hieß Repanse de Joie.12 / Das Wesen dieses Grals war so: / die das Recht hat, ihn zu hüten, / muß von höchster Reinheit sein, / muß frei von jedem Makel bleiben.

(236) Lichter trug man vor dem Gral, / die stammten nicht von armen Leuten—/ sechs Glasgefäße, hoch, hell, schön / und innen Balsam, der gut brannte.

(5) Als sie von der Türe kamen, / nach vorn, in richtiger Distanz, / verneigten sich die Königin / und formgewandt die jungen Damen, / die diese Balsam-Lampen trugen.

(10) Es setzte die reine Königin / den Gral nun vor dem Burgherrn ab.

[...]

(238) Man sagte mir, ich sag es weiter / und zwar bei euer aller Eid:

192 Wolfram von Eschenbach: Parzival
 

 
10 daz vor dem grâle wære bereit 10 
(sol ich des iemen triegen, 
sô müezt ir mit mir liegen) 
swâ nâch jener bôt die hant, 
daz er al bereite vant 
15 spîse warm, spîse kalt, 15 
spîse niuwe unt dar zuo alt, 
daz zam unt daz wilde. 
esn wurde nie kein bilde, 
beginnet maneger sprechen. 
20 der wil sich übel rechen: 20 
wan der grâl was der sælden vruht, 
der werlde süeze ein sölh genuht, 
er wac vil nâch gelîche 
als man saget von himelrîche. 
[...] 
239 wol gemarcte Parzivâl 239 
die rîcheit unt daz wunder grôz: 
10 durch zuht in vrâgens doch verdrôz.10 
er dâhte "mir riet Gurnamanz 
mit grôzen triuwen âne schranz, 
ich solte vil gevrâgen niht. 
waz ob mîn wesen hie geschiht 
15 die mâze als dort bî im? 15 
âne vrâge ich vernim 
wie ez dirre massenîe stêt." 
in dem gedanke nâher gêt 
ein knappe, der truog ein swert: 
20 des balc was tusent marke wert, 20 
sîn gehilze was ein rubîn, 
ouch möhte wol diu clinge sîn 
grôzer wunder urhap. 
der wirt ez sîme gaste gap. 
25 der sprach "hêrre, ich brâhtz in nôt 25 
in maneger stat, ê daz mich got 
an dem lîbe hât geletzet. 
nu sît dermit ergetzet, 
ob man iuwer hie niht wol enpflege. 
ir mugetz wol vüeren alle wege: 
240 Swenne ir geprüevet sînen art, 240 
ir sît gein strîte dermite bewart." 
owê daz er niht vrâgte dô! 
des bi ich vür in noch unvrô.
 
Wolfram von Eschenbach: Parzival 193
 

(10) vor dem Gral lag schon bereit—/ mach ich hier einem etwas vor, / so sind wir eben alle Lügner: / wonach man auch die Hand ausstreckte, / man fand es alles fertig vor:

(15) warme Speisen, kalte Speisen, / neue Speisen, altbewährte, / Fleisch vom Stalltier und vom Wild.13/ "So was hat man nie gesehen!" / wendet wohl so mancher ein,

(20) doch der benimmt sich viel zu forsch.14 / Der Gral war: Frucht der Seligkeit, / Füllhorn aller Erdensüße, / er reichte nah an das heran, / was man vom Himmelreich erzählt.

(239) Parzival nahm alles wahr: / den Luxus und das große Wunder—
(10) er wahrte die Form und fragte nicht. / Er dachte: "Gournemans empfahl—

(15) und das war ihm völlig ernst—/ ich soll nicht viele Fragen stellen. / Vielleicht bleib ich so lange hier, wie ich bei ihm geblieben bin—/ dann krieg ich raus, auch ohne Frage, / was mit den suivants hier los ist."15/ Bei dieser Überlegung kam / ein Page, trug ein Schwert herein.

(20) Der Wert der Scheide: tausend Mark; / der Griff des Schwertes: ein Rubin; / die Klinge: sie war ganz gewiß / der Anlaß wahrer Wundertaten./ Der Burgherr reichte es dem Gast

(25) und sagte: "Herr, ich trug es oft / im Kampfgetümmel, eh mich Gott / an meinem Leib verstümmelt hat. / Es möge Euch entschädigen, / falls wir’s an etwas fehlen ließen. / Ihr müßt es immer bei Euch tragen.

(240) Wenn Ihr es auf die Probe stellt: / Ihr seid im Kampf damit beschützt." / Ein Unglück, daß er jetzt nicht fragte!

194 Wolfram von Eschenbach: Parzival
 

 
5 wan do erz enpfienc in sîne hant, 5 
dô was er vrâgens mit ermant. 
ouch riuwet mich sîn süezer wirt, 
den ungenâde niht verbirt, 
des im von vrâgen nu wære rât, 
10 genuoc man dâ gegeben hât: 10 
[...] 
265 Da ergienc diu scharpfe herte. 265 
iewederre vaste werte 
sînen prîs vor dem ander. 
duc Orilus de Lalander 
5 streit nâch sîme gelêrten site. 5 
ich wæne ie man sô vil gestrite. 
er hete kunst unde craft: 
des wart er dicke sigehaft 
an maneger stat, swie ez dâ ergienc. 
10 durch den trôst zuo ze im er vienc 10 
den jungen starken Parzivâl. 
der begreif ouch in dô sunder twâl 
unt zucte in ûz dem satel sîn: 
als ein garbe häberîn 
15 vaste er in under die arme swanc: 15 
mit im er von dem orse spranc, 
und dructe in über einen ronen. 
dâ muose schumpfentiure wonen 
der sölher nôt niht was gewent. 
20 "du garnest daz sich hât versent 20 
disiu frouwe von dîm zorne. 
nu bistu der verlorne, 
dune lâzest si dîn hulde hân." 
"daz enwirt sô gâhes niht getân", 
25 sprach der herzoge Orilus: 25 
"ich bin noch niht betwungen sus." 
Parzivâl der werde degen 
druct in an sich, daz bluotes regen 
spranc durch die barbiere. 
dâ wart der vürste schiere 
266 betwungen swes man an in warp. 266 
er tete als der ungerne starp. 
Er sprach ze Parzivâle sân 
"owê küene starker man, 
5 wa gediente ich ie dise nôt 5
 
Wolfram von Eschenbach: Parzival 195
 
 

Noch heute leid ich dran—für ihn!

(5) Denn als man ihm das überreichte, / war dies ein Wink: er sollte fragen. / Der Burgherr tut mir gleichfalls leid, / weil er ein schweres Schicksal hat—/ die Frage hätte ihn erlöst ... / Man hatte jetzt genug serviert.

Parzival sees an old man who is later identified as Titurel, the grandfather of Anfortas the Fisher King. Parzival spends a disturbed night and the next morning he finds the castle deserted—there is no one to help him don his armor. He departs grumbling and, to add to his perplexity, the drawbridge is pulled up when he is barely across and he hears a voice from the battlements reproaching him for not asking the question. Shortly afterward he again meets Sigune, her appearance so changed by grief over her lover’s death that he does not recognize her. She tells him a few details of the Grail castle, but curses him when she too hears that he has not asked the question.

Only a short distance away Parzival finds Jeschute in all her misery. She tells him her story and warns him to flee from Orilus’ wrath, but he refuses; when the knight appears, Parzival attacks him. The combat is indecisive.

(265) Es war ein harter, scharfer Kampf! / Jeder hat hier seinen Ruhm / mit Entschiedenheit verteidigt. / Fürst Orilus de la Lande

(5) kämpfte völlig schulgerecht—/ ich glaube, keiner hat so oft / gekämpft. Er hatte Kraft und Technik, / hatte deshalb oft gesiegt—/ vielerorts, wo sich’s ergab.

(10) Im Vertrauen darauf riß er den starken Parzival an sich, / jedoch: der packte ihn sofort / und riß ihn hoch aus seinem Sattel, / nahm ihn fest in seine Arme, / als wäre er eine Hafergarbe,

(15) sprang mit ihm von seinem Pferd / und preßte ihn auf einen Baumstamm. / Das sah nach défaitage16aus—/ für ihn, der sowas noch nicht kannte.

(20) "Jetzt erntest du, was diese Frau / durch deinen Zorn erleiden mußte! / Gewährst du ihr nicht Gattenliebe, / ist es völlig aus mit dir!" / "So schnell geht das hier ja nicht",

(25) sagte Orilus, der Herzog, / "ich fühle mich noch nicht besiegt." / Darauf drückte ihn der Held / derart fest an sich, daß Blut / durch den Gesichtsschutz sprühte. / Da blieb dem Fürsten nur noch eins:

(266) die Forderungen akzeptieren. / So handelt, wer nicht sterben will. / Schon sagte er zu Parzival: / "Ach, du kühner, starker Mann,

(5) wie habe ich es wohl verdient,
 
196 Wolfram von Eschenbach: Parzival
 

 
daz ich vor dir sol ligen tôt?" 
"ja lâze ich dich vil gerne leben", 
sprach Parzivâl, "ob du wilt geben 
dirre vrouwen dîne hulde." 
10 "ich entuons niht: ir schulde 10 
ist gein mir ze grœzlîch. 
si was werdekeite rîch: 
die hât si gar vercrenket 
und mich in nôt gesenket. 
15 ich leiste anders swes du gerst, 15 
ob du mich des lebens werst. 
daz hete ich etswenn von gote: 
nu ist dîn hant des worden bote 
daz ichs danke dîme prîse." [...] 
312 der meide ir kunst des verjach 312 
20 alle sprâche sî wol sprach, 20 
latîn, heidensch, franzoys. 
si was der witze curtoys, 
dîaletike und jêometrî: 
ir wâren ouch die liste bî 
25 von astronomîe. 25 
sie hiez Cundrîe: 
surziere was ir zuoname; 
in dem munde niht diu lame: 
wand er geredet ir genuoc. 
vil hôher vröude si nider sluoc. 
313 Diu maget witze rîche 313 
was gevar den unglîche 
die man dâ heizet bêâ schent. 
ein brûtlachen von Gent, 
5 noch blâwer denn ein lâsûr, 5 
het an geleit der vröuden schûr: 
daz was ein kappe wol gesniten 
al nâch der Franzoyser siten: 
drunde an ir lîb was pfelle guot. 
10 von Lunders ein pfaewîn huot, 10 
gefurriert mit einem blîalt 
(der huot was niuwe, diu snuor niht alt), 
der hieng ir an dem rücke. 
ir mære was ein brücke: 
15 über vröude ez jâmer truoc. 15 
si zucte in schimpfes dâ genuoc.
 
Wolfram von Eschenbach: Parzival 197
 
 

daß ich zu deinen Füßen sterbe?" / "Ich werde dich gerne leben lassen, / wirklich, wenn du dieser Dame / deine Gattenliebe schenkst."

(10) "Kommt nicht in Frage! Ihre Schuld / an mir ist dafür viel zu groß. / Ihr Ansehn war einmal sehr hoch, / doch hat sie’s ganz und gar lädiert / und mich in tiefe Not gestürzt.

(15) Ich tu sonst alles, was du willst, / wenn du mich nur am Leben läßt. / Das gab mir früher einmal Gott, / mit starkem Arm vertrittst du ihn: nun hängt mein Leben von dir ab."

Orilus is finally compelled by Parzival to forgive Jeschute, who is glad to be reconciled with him, and he is sent back to render service to Cunneware.

Parzival also moves toward Arthur's court and is spellbound by three drops of blood in the snow, for the red-on-white reminds him of Conduir-amour. He is attacked by Segramors and Keie, both of whom he unhorses with ease. (In these events he atones for what may be called his chivalric ‘sins,’ the sorrow he had caused Jeschute and Cunneware) Gawan breaks the spell and leads Parzival to the court. He is held in great honor and about to become a member of the Round Table, when the hideous but learned Cundrie arrives and denounces him; she declares that the Round Table would be disgraced by his presence.
 
 

(312) Die junge Frau war so gebildet,

(20) daß sie viele Sprachen konnte: / Latein, Arabisch und Französisch. / Sie war bewandert auf dem Gebiet / der Dialektik, Geometrie, / und ebenso beherrschte sie

(25) die Wissenschaft Astronomie. / Ihr Name lautete: Cundrie. / Man nannte sie auch «la sorcière».17/ Sie war nicht auf den Mund gefallen, / redete in einem fort, war Niederschlag auf hohes Glück.

(313) Die junge Dame, hochgebildet, / zählte nicht zu den beaux gens18/in ihrer äußeren Erscheinung. / Dieser Hagelschlag aufs Glück / trug feines Tuch—es kam aus Gent—

(5) das war noch blauer als Lasur:19/ geschnitten als Kapuzenmantel, / völlig à la mode aus Frankreich; / darunter trug sie feine Seide.

(10) Aus London kam ihr Pfauenhut, / der doubliert war mit brocart;20/ der Hut war neu, und auch die Schnur, / jedoch, sie trug ihn auf dem Rücken. / Ihre Botschaft: eine Brücke

(15) übers Glück—es kam das Leid. / Sie raubte alle Lebenslust.

198 Wolfram von Eschenbach: Parzival
 

 
über den huot ein zopf ir swanc 
unz ûf den mûl: der was sô lanc, 
swarz, herte und niht ze clâr, 
20 lind als eins swînes rückehâr. 20 
si was genaset als ein hunt: 
zwên ebers zene ir vür den munt 
giengen wol spannen lanc. 
ietweder wintbrâ sich dranc 
25 mit zöpfen vör die hârsnuor. 25 
mîn zuht durch wârheit missevuor, 
daz ich sus muoz von vrouwen sagen: 
kein andriu darf ez von mir clagen. 
Cundrîe truoc ôren als ein ber, 
niht nâch vriundes minne ger: 
314 Rûch wâs ir antlütze erkant. 314 
ein geisel vuorte si in der hant: 
dem wârn die swenkel sîdîn 
unt der stil ein rubbîn, 
5 gevar als eines affen hût 5 
truoc hende diz gaebe trût. 
die nagele wâren niht ze lieht; 
wan mir diu âventiure giht, 
si stüenden als eins lewen clân. 
nâch ir minne was selten tjost getân. [...] 
315 von dem künge si vür den Wâleis reit. 315 
si sprach "ir tuot mir site buoz, 
daz ich versage mînen gruoz 
Artûse unt [der] messnîe sîn. 
20 gunêrt sî iuwer liehter schîn 20 
und iuwer manlîchen lide. 
hete ich suone oder vride, 
diu wærn iu beidiu tiure. 
ich dunke iuch ungehiure, 
25 und bin gehiurer doch dann ir. 25 
hêr Parzivâl, wan sagt ir mir 
unt bescheidet mich einer mære, 
dô der trûrige vischære 
saz âne vröude und âne trôst, 
war umb ir in niht siufzens hât erlôst? 
316 Er truog iu vür den jâmers last. 316 
ir vil ungetriuwer gast! 
sîn nôt iuch solte erbarmet hân.
 
Wolfram von Eschenbach: Parzival 199
 
 

Ein Zopf hing über ihren Hut / herab zum Muli:21derart lang! / War schwarz und starr und häßlich—

(20) ‘weich’ wie Schweine-Rückenborsten. / Auch war sie wie ein Hund benast; / aus ihrer Schnauze ragten / spannenlang zwei Eberzähne; / ihre beiden Brauen reichten

(25) verzopft bis an das Haarband hoch. / Verletze ich bei ihr die Form, / so nur, weil ich die Wahrheit sage; / sonst braucht sich keine zu beklagen! / Cundrie mit Ohren wie ein Bär,

(314) und ihr Gesicht war ganz behaart—/ nicht so wie sich’s ein Liebster wünscht! / Sie hielt in ihrer Hand die Peitsche—/ die Schnüre waren seiden / und der Griff war ein Rubin.

(5) An diesem wunderhübschen Liebchen: / Hände wie mit Affenfell. / Die Fingernägel wuchsen wild: / wie mir meine Quelle meldet, / ragten sie wie Löwenkrallen. / Wer kämpfte schon um ihre Liebe?

[...]

(315) Vom König ritt sie zum Waliser: / "Ihr seid schuld, wenn ich die Form / verletze, Artus und dem Hof / den ehrenvollen Gruß versage.

(20) Schande über Eure Schönheit, / Eure männliche Erscheinung! / Könnt ich versöhnen, Frieden schließen—/ beides wäret Ihr nicht wert! / In Euren Augen bin ich häßlich,

(25) und bin doch schöner als Ihr selbst! / Gebt mir Antwort auf die Frage, / Herr Parzival, warum Ihr nicht / den Fischer, als er traurig dasaß, / ohne Zuversicht und Freude, / erlöst habt aus dem tiefen Seufzen.

(316) Er zeigte Euch sein schweres Leid—/ daß Ihr als Gast so herzlos wart! / Sein Leid hätt Euch erbarmen sollen!
 
 



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